4 Studierende in einer Gruppe
Hochschule

Die HdBA informiert

Kamingespräche mit Arbeitgebern an der HdBA

– Das Modul 2.04 - Arbeitgeberberatung I - vermittelt Strategien der Personalanwerbung und -beschaffung. Ziel ist darüber hinaus, dass die Studierenden ihre Beratungsfähigkeiten und ihre Handlungskompetenz im Umgang mit Arbeitgebern ausbauen. Die Sichtweisen von Arbeitgebern, ihre Erwartungen an die BA sowie die Grundprinzipien unternehmerischen Denkens und Handelns sollten dabei nicht nur in der Theorie, sondern auch im direkten Gespräch mit Arbeitgebern kennen gelernt werden.

Im Herbst 2009 besuchten zwei Arbeitgeber die HdBA für sog. "Kamingespräche": In diesen vermittelten die Gastredner sehr interessante, mitunter auch sehr persönliche und überraschende Einblicke in ihre Arbeits- und Lebenswelt.

"Ich dacht, da kommt ein Monster" - Dr. Wolfgang Runge behält auch in Zeiten der Krise immer seine Menschlichkeit

Ursprünglich fuhr Dr. Wolfgang Runge 12 Jahre zur See, davon vier Jahre als Kapitän, bevor er studierte und sich beruflich neu orientierte. Heute arbeitet er als HR-Direktor eines großen deutschen Unternehmens. Gleichzeitig ist er Geschäftsführer dreier Gesellschaften dieses Unternehmens. Dies verschafft ihm den Vorteil, die Ausrichtung des Unternehmens mitbestimmen und über alle strategischen Entscheidungen, auch das Personal betreffend, frühzeitig informiert zu sein. Dr. Runge berichtet über die Erfahrung, 1.700 Mitarbeiter in mobilen Arbeitsplätzen zu betreuen, überwiegend Vertriebspersonal. Verkäufer haben dabei ihre eigene Mentalität und erfordern bzw. erwarten eine ganz bestimmte Form der Führung. Die Studierenden interessieren sich dafür, wie Dr. Runge Personal rekrutiert. Sie erfahren, dass das Unternehmen für die Gewinnung von Vertriebspersonal "Headhunter" (Personalberater) konsultiert, die mit etwa einem Jahresgehalt der vermittelten Person honoriert werden. Es gibt einen Bereich hoch qualifizierter Fachkräfte, deren Arbeitsplätze offenbar an der Agentur vorbei besetzt werden. Schnittstellen seines Unternehmens zur BA ergeben sich weniger beim Personalaufbau, sondern häufiger beim Personalabbau. Dr. Runge musste in den vergangenen Jahren mehrere Massenentlassungen bei der BA anzeigen und operativ umsetzen. Wenn eine Massenentlassung ansteht, überschlagen sich die Ereignisse. Ein Arbeitgeber brauche dann sehr schnell Auskünfte zu essenziellen Fragen. Dr. Runge erzählt: "Ich rufe um 11 Uhr an, sage, ich muss eine Massenentlassung anzeigen, und ich brauche bis 14 Uhr eine Antwort auf folgende fünf Fragen (...) Um 14 Uhr ist eine Telefonkonferenz, bei der die Art und Weise der Umsetzung festgelegt wird." Wenn in solchen Situationen kein kompetenter Ansprechpartner verfügbar ist oder die Antwort zwei Wochen auf sich warten lässt, mache dies den Arbeitgeber sehr unzufrieden. Dr. Runge kennt und benennt positive und negative Beispiele in der Zusammenarbeit mit Agenturen. So sei es sehr ärgerlich, wenn eine mit Agentur A mühsam ausgehandelte Regelung sofortiges Arbeitslosengeld zulässt, Agentur B jedoch den gleichen Sachverhalt als Sperre auslegt. 2007 war Dr. Runge von der Schließung der Motorola-Fabrik in Flensburg betroffen. Zum einen musste er selbst viele Hundert Mitarbeiter entlassen, zum anderen verlor er schließlich selbst seinen Job. Mitarbeiter mussten motiviert werden, die Maschine, an der sie bisher gearbeitet hatten, für den Transport nach China zu verpacken. In solchen extremen Momenten komme es darauf an, seine Menschlichkeit zu bewahren und jederzeit wertschätzend mit den Mitarbeitern umzugehen. Wenn Dr. Runge heute durch Flensburg geht, begegnet er rund einem Dutzend ehemaliger Motorolaner, die alle stehen bleiben und das Gespräch mit ihm suchen. Und das, obwohl viele von ihnen damals die Kündigung von Dr. Runge überreicht bekamen. Nach dem Abbau von 1.900 Mitarbeitern sei er allerdings dieser Aufgabe "müde". Führen und Entscheiden sind hingegen nach wie vor seine Lieblingsaufgaben. Von einer sehr menschlichen Seite zeigt sich Dr. Runge auch, als ihn die Studierenden auf den Umgang mit der großen Arbeitsbelastung ansprechen und auf den Spagat zwischen seinen Wurzeln in Norddeutschland und seinem aktuellen Arbeitsort im Rhein-Main-Gebiet. Dr. Runge schildert sehr offen, in welcher Form er die Grenzen seiner Belastbarkeit aufgezeigt bekommen hat und was er heute tut, um seine Work-Life-Balance zu bewahren. Die HdBA dankt Dr. Wolfgang Runge für seinen Besuch und das interessante Gespräch mit ihm. Er öffnete den Studierenden die Chance, die Sichtweisen und Erwartungen eines Arbeitgebers besser nachvollziehen zu können. "Ich dacht´, da kommt ein Monster. Wer so viele Entlassungen gemacht hat, muss abgestumpft sein", sagte eine Studentin, die dann ergänzt: "Dass Sie mit den Entlassenen heute noch auf der Straße reden, spricht für Sie und Ihre Arbeit." Die Studierenden fanden es sehr interessant, mehr über die Hintergründe von Massenentlassungen zu erfahren. Nicht zuletzt stellten die Studierenden fest, dass der erste Lebensweg nicht der einzige sein muss. Dr. Runge sei ein gutes Beispiel, wie nach der Karriere in einem ersten Bereich eine weitere im zweiten Beruf möglich ist.

"Es geht ums Geld" - Frank Roeder trifft Entscheidungen nach dem "Nasenfaktor"

Frank Roeder hat vor fünf Jahren die RoeFo GmbH gegründet - ein Unternehmen der Kraftwerkstechnik mit weniger als 10 Mitarbeitern. Die Unternehmensgründung hatte zehn Jahre Vorlaufzeit, war lang vorher geplant und wurde ausschließlich aus Eigenkapital finanziert. Die RoeFo GmbH übernimmt Installations- und Wartungsarbeiten, insbesondere von Armaturen und Pumpen in Kraftwerken. Kraftwerke sind Orte, die von den dort Arbeitenden höchste Belastbarkeit erfordern: In einem Kohlekraftwerk ist es laut, heiß (durchschnittlich 60°C), staubig und es müssen körperlich schwere Arbeiten verrichtet werden. Die Arbeit im "heißen Bereich" eines Atomkraftwerkes ist anders, aber ebenfalls sehr anspruchsvoll. "Da gehen Sie nackig rein und nackig raus, da schafft man stundenlang, auch ohne Essen und Trinken", stellt Roeder heraus. Team-Arbeit und eine direkte Kommunikation prägten die Arbeit. Bei der hohen Beanspruchung, die Arbeit in Kraftwerken erfordere, dürfe keiner ausscheren. Dabei behandelt Roeder in der täglichen Zusammenarbeit alle Mitarbeiter gleich, egal ob Praktikant oder Vorarbeiter. Frank Roeder sucht und beschäftigt Personal, das bereit ist, Arbeiten in dem beschriebenen Kraftwerksumfeld zu übernehmen. Die Mitarbeiter werden für die Tätigkeit direkt bei der Arbeit qualifiziert. Für die RoeFo GmbH ist es keinesfalls leicht, entsprechendes Personal zu rekrutieren. Wenn die Voraussetzungen stimmen und Fördermittel fließen, greift Roeder auch gerne auf von der Agentur vermittelte Personen zurück. Kritisch seien Personen, die jahrelang in Großunternehmen gearbeitet haben. "Wir müssen hier die Leute wieder zu Generalisten machen. Wer tagein, tagaus in einem vollklimatisierten, sauberen Umfeld ein kleines Details produziert hat, ist für uns nicht brauchbar. Er muss abqualifiziert werden, damit er den Aufgaben bei uns gewachsen ist", sagt Roeder. Dabei versucht die RoeFo GmbH ein fairer Arbeitgeber zu sein. Roeder sorgt dafür, sein Personal unter 10 Mitarbeitern zu halten, denn nur so ist er frei von tarifvertraglichen Bindungen. Diese können für Mitarbeiter auch negative Seiten haben, und zwar dann, wenn Roeder für gute Arbeit mehr als Tarif zahlen will, aber nicht kann. Wer bei Roeder viel leistet, wird auch gut entlohnt, mitunter deutlich über Tarif. Mit seiner Agentur arbeitet Roeder gut und vertrauensvoll zusammen. Er habe eine feste Ansprechpartnerin, die ihm zuvorkommend begegne. Seine Personalentscheidungen treffe er sehr stark nach dem persönlichen Eindruck ("Nasenfaktor"). "Wichtig ist, dass die Agentur meine Wünsche versteht und mir Personen vermittelt, die meinen Erwartungen gerecht werden", sonst könne Roeder einfach nichts mit den Leuten anfangen. Manchmal, wenn er sich in der Telefonnummer irrt und in der Agentur-Hotline für Arbeitnehmer lande, sei er erschrocken, wie Menschen behandelt werden, die kein Arbeitgeber sind. Die Studierenden wollen von Roeder wissen, was ihn anspornt, Tätigkeiten in einem so harten Umfeld auszuüben. "Es geht ums Geld", stellt Roeder unmissverständlich heraus und die Studierenden schauen irritiert angesichts dieser ihnen fremden unternehmerischen Denkweise. Roeder behauptet, dass der Weg, den er vom Hauptschüler zum Inhaber eines erfolgreichen Unternehmens gegangen ist, heute nicht mehr möglich sei. Sein familiäres Umfeld sah die Unternehmensgründung kritisch, seine Frau fand diesen Schritt sehr gewagt und wechselte in dem Moment, wie ihr Mann das Unternehmen gründete, von der Selbständigkeit in eine Angestelltenfunktion. Sensibilisiert für das Thema "Unternehmensnachfolge", fragen die Studierenden Roeder, was er mit dem Unternehmen in 10 Jahren vorhat. "Verkaufen", ist die klare Antwort. Schon heute gäbe es Interessenten. Schließlich existierten weltweit nur acht Unternehmen, die entsprechende Dienstleistungen anbieten. Die HdBA dankt Herrn Roeder für das offene, persönliche Gespräch.