Junge Studierende im Hörsaal
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Working Paper

Fachgruppe Soziologie und Arbeitsmarktpolitik

Mit dieser Working-Paper-Reihe stellt die Fachgruppe Soziologie und Arbeitsmarktpolitik der HdBA arbeitsmarktpolitisch, beratungs- und BA-relevante Zwischenergebnisse und Forschungsbefunde aus Projekten von Fachgruppenangehörigen zur Verfügung.

Es kann sich hierbei um erste Zwischenergebnisse oder endgültige Forschungsbefunde, Thesenpapiere, methodische oder inhaltliche Erörterungen mit Bezug zu den Forschungsthemen und zum Lehrangebot der Fachgruppe und ihrer Mitglieder handeln.

Die Veröffentlichungen der Fachgruppe stehen unter Verantwortung der jeweiligen Autorinnen und Autoren. Die Autorenschaft steht Mitgliedern der Fachgruppe, Projektmitarbeitenden, Kooperationspartnern bzw. Kooperationspartnerinnen und weiteren Forschenden an der HdBA offen. Die Publikation in dieser Reihe basiert auf Vorschlägen von Mitgliedern der Fachgruppe und einem internen Review-Prozess.

"Nachhaltige Arbeit. Länderstudie über Diskurse, Politiken und Akteure (nicht barrierefreie PDF)" von Dario Azzellini*, Oktober 2021

Abstract: see english version below
Nachhaltige Entwicklung ist politisches Ziel der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. CO2-Reduktion, Energie- und Mobilitätswende sind tagesaktuell. Spätestens zum Jahr 2050 soll in Europa die Treibhausgasneutralität erreicht werden, bereits bis zum Jahr 2030 soll die Bundesverwaltung in Deutschland klimaneutral sein. Nicht nur Produktion und Konsum werden sich dadurch massiv verändern, sondern auch die Erwerbsarbeit und die Arbeitsmärkte. Doch auch wenn die Vereinten Nationen menschenwürdige und entwicklungsfördernde, nachhaltige Arbeit als Ziel proklamieren, zeigt sich schon in Europa eine begrenzte Durchdringung der Thematik. Das Working Paper untersucht die Perspektiven auf nachhaltige Arbeit in neun europäischen Ländern. Deutlich wird, dass nachhaltige Arbeit kaum explizit thematisiert wird. Die gesellschaftliche Organisation von Arbeit, andere Arbeitsformen oder Wertorientierungen werden selten angesprochen. Technologie rsp. ihre Nutzungsweisen spielen dagegen eine zentrale Rolle. Die Rolle der Arbeitsverwaltungen bleibt auf Programme einer ökologisch ausgerichteten beruflichen Qualifizierung begrenzt.
*Dr. Dr. Dario Azzellini, Akademische Einheit Entwicklungsstudien, Autonome Universität von Zacatecas (UAZ), Zacatecas, Mexiko und Department of International and Comparative Labor, ILR School, Cornell University, Ithaca, USA, dnapress@gmx.net

Sustainable work Country study of discourses, policies, and actor (not accessible PDF)“ Dario Azzellini*, Oktober 2021

Abstract:
Sustainable development is the political goal of the EU and its member states. Reduction of greenhouse gases, energy and mobility transition are daily topics. Greenhouse gas neutrality is to be achieved in Europe by 2050 at the latest, and the federal administration in Germany is to be climate-neutral by 2030. Not only production and consumption will change massively as a result, but also gainful employment and the labour markets. But even if the United Nations proclaims humane and development-promoting, sustainable work as a goal, there is already a limited penetration of the topic in Europe. The working paper examines the perspectives on sustainable work in nine European countries. It becomes clear that sustainable work is hardly explicitly addressed. The social organization of work, other forms of work or value orientations are rarely addressed. Technology rsp. their uses, on the other hand, play a central role. The role of public employment services remains limited to programmes of ecologically oriented vocational training.

*Dr. Dr. Dario Azzellini, Academic Unit for Development Studies.Autonomous University of Zacatecas, Zacatecas, Mexico. and Department of International and Comparative Labor, ILR School, Cornell University, Ithaca, USA, dario(at)azzellini.net

Arbeitsmarktnahe Integration von Langzeitarbeitslosen von Sebastian Brandl* und Thorsten Braun**, August 2022 (Barrierefreie Fassung des Working Paper, Abweichungen, z.B. Seitenangaben, zur nicht-barrierefreien Version sind möglich)

Abstract:
Das Working Paper geht der Umsetzung dem in vielen europäischen Ländern feststellbaren Paradigmenwechsel hin zu einer arbeitsmarktnahen Integration insb. von Langzeitarbeitslosen nach. Arbeitsmarktnah meint Integration in geförderte und ungeförderte, weitgehend reguläre Beschäftigungsverhältnisse in privaten Unternehmen, in Verwaltungen und in gemeinnützigen Organisationen. Die Grundlage für das Working Paper bilden je zwei explorative Jobcenterfallstudien in Dänemark und Deutschland. In Erweiterung der street-level bureaucracy-Perspektive von Lipsky wird dabei der Rolle der street-level organizations bei der Implementation der neuen Policy nachgegangen. Gefragt wird unter Fokus auf Berkels ‚organizational context’ nach den strategischen, organisationalen und personellen Überlegungen und Umsetzungsschritten in den Jobcentern. In Dänemark läuft der Paradigmenwechsel auf eine umfassende, nicht friktionslose und nach Jobcenter unterschiedliche Neuausrichtung der Integrationsarbeit von einer sozialfachlichen zu einer Unternehmensorientierung hinaus. In Deutschland wird der Ansatz nur indirekt mittels Förderprogrammen und dem Teilhabechancengesetz und zumeist in Sonderteams umgesetzt. Gleicherweise ist jedoch ein ‚process of policy decentralization’ beobachtbar, der durch eine unterschiedliche ‚professionalization’ der Integrationsarbeit vor Ort ausgefüllt wird. Dabei haben die Entscheidungen des Managements erheblichen Einfluss nicht nur auf die Dienstleistung, sondern rahmen die Ermessensentscheidungen der Integrationsfachkräfte. In einem Fall konnte eine sehr weitgehende Übertragung des organisationalen Ermessensspielraum auf die Integrationsfachkräfte beobachtet werden. Strategien und Erfahrungen sowie Konstellationen und Management­orientierungen in den Jobcentern beeinflussen somit in erheblichem Maße die Umsetzung und Praxis der neuen Policy vor Ort. Mit Brodkin gesprochen bestätigt sich, das street-level organizations durch ihre Managemententscheidungen ‚de facto policymakers’ sind.

* Professor für Arbeitssoziologie und Sozialpolitik, HdBA Campus Schwerin,
** Associate Professor, VIA University College – Society and Social Work, Aarhus,  

"Institutionelle Hürden bei der Inanspruchnahme des Kinderzuschlags" von Deborah Jackwerth-Rice, 2023

Abstract:

Der Kinderzuschlag (KiZ) ist eine familienbezogene Leistung, die zusammen mit dem Wohngeld bezogen werden kann, um ein geringes Haushaltseinkommen über das Grundsicherungsniveau zu heben und damit eine Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II zu vermeiden. Hierzu wird neben einer finanziellen Zuwendung auch eine KiTa-Gebührenbefreiung und ein Zugang zu Leistungen für Bildung und Teilhabe gewährt. Allerdings wissen Familien mit geringem Einkommen oft nicht von ihrem KiZ-Anspruch oder sind mit der Antragstellung überfordert. Dies hat nicht nur individuelle Ursachen, sondern wird auch durch ein komplexes Leistungssystem begünstigt, das für Familien ‚undurchdringlich‘ sein kann. Dieses Arbeitspapier geht näher auf institutionelle Hürden bei der Inanspruchnahme des Kinderzuschlags ein. Dabei wird insbesondere auf die Antragstellung, Wechselwirkungen mit anderen Sozialleistungen, erschwerte Zugangsbedingungen nach Beendigung eines Bürgergeldbezugs und den Mangel an Anlaufstellen für eine rechtskreisübergreifende Leistungsberatung eingegangen. Das Arbeitspapier basiert auf den Ergebnissen einer Begleitforschung zum Projekt „KiZ+“ (2020-2022) der PHOENIX Beschäftigung und Bildung e.G. in Zusammenarbeit mit der Familienkasse Baden-Württemberg Ost und West.

"Selbsteinschätzung der Kompetenz bei arbeitsplatznahem Lernen durch standardisierte Messung" von Nathanael Opitz und Ralph Conrads, 2023

Abstract:

Das Working Paper untersucht die Möglichkeiten der Kompetenzmessung beim Konzept des arbeitsplatznahen Lernens in Form der Lernprozessbegleitung. Konkret wird dies anhand der individuellen Lernbegleitung der Bundesagentur für Arbeit erörtert. Dabei handelt es sich um ein internes Weiterbildungsangebot für Angestellte der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern, welches seit 2012 als informelle, individuell und arbeitsplatznah ausgestaltete Weiterbildungsform angeboten wird. Letzteres ist notwendig, um auf die Herausforderungen einer sich transformierenden Arbeitswelt zu reagieren (Digitalisierung, demografischer Wandel, Heterogenisierung von Erwerbsbiografien, Internationalisierung etc.). Es gibt eine Lücke zwischen den damit verbundenen Anforderungen an Beschäftigte und traditionellen Aus- und Weiterbildungsmethoden. Daher müssen neue Formate entwickelt werden, um den Veränderungen individuell wie organisational gerecht zu werden.
Die in dieser Hinsicht bedeutende individuelle Lernbegleitung (iLB) fördert aktives Lernen und basiert auf einem konstruktivistischen Ansatz. Die hier vorgestellte Studie zur iLB-Begleitforschung untersucht Kompetenzveränderungen sowie die Zufriedenheit mit Lernprozessen und verwendet ein quasi-experimentelles Design (Solomon-Viergruppenversuch). Der Fragebogen in der Begleitforschung enthält verschiedene Themenbereiche und verwendet 5-stufige Likert-Skalen. Vorgestellt werden detailliert die Validität, Reliabilität und Konsistenz der Kompetenzerhebungen sowie die Wirkungen der Intervention bei den verschiedenen Untersuchungsgruppen.
Durch explorative und konfirmatorische Faktorenanalysen konnten die dem Beitrag zugrundeliegenden theoretischen Postulate mittels einer 16-faktoriellen Skalenstruktur bestätigt werden. Zudem sind die Kompetenzskalen plausibel den Kompetenzdimensionen zweiter Ordnung (Fach-, Methoden-, Sozial- und Personalkompetenzen) zuweisbar. Die Reliabilitätskoeffizienten der Skalen sind gut bis sehr gut. Von Interesse sind hier auch Unterschiede zwischen Teilnehmenden aus den zentralen Einarbeitungsprogrammen (EAP für neu eingestellte Mitarbeitende oder Stellenwechselnde verschiedener Tätigkeitsbereiche wie Arbeitsvermittlung oder Controlling) sowie aus dem Zertifikatsprogramm Professionelle Beratung der wissenschaftlichen Weiterbildung (ZP; meist erfahrene Berufsberatende, die eine höhere Tätigkeitseinstufung anstreben). Abschließend werden die erzielten Erkenntnisse erörtert und besondere Effekte (Decken- /Selbstbeurteilungseffekt) sowie Limitationen des Forschungsdesigns diskutiert. Die Befunde zeigen, dass das Erhebungskonzept tragfähig ist, konsistente Ergebnisse zeigt und Möglichkeiten des Transfers auf andere Weiterbildungsformate im Bildungs-Controlling bestehen.

"Klimapolitik und die Zukunft der Arbeit" von Franziska Schmitt, 2024

Abstract:

Der Einfluss klimapolitischer Vorgaben auf den Arbeitsmarkt findet in der arbeitnehmerorientierten Arbeitsvermittlung und deren Beratungspraxis bisher wenig Beachtung. Anknüpfend an jenes Defizit thematisiert dieses Paper die Frage, wie sich klimapolitische Vorgaben zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf die Beschäftigung in ausgewählten Sektoren in Deutschland auswirken und welche Konsequenzen daraus für die Arbeitsvermittlung resultieren. Nach der inhaltlichen Analyse aktueller Studien zu den Beschäftigungswirkungen klimapolitischer Vorgaben, wurden zur Ermittlung der Konsequenzen für die Arbeitsvermittlung leitfadengestützte Experteninterviews durchgeführt. Die Untersuchungen weisen auf klimapolitisch bedingte Arbeitsplatzverluste im Energiesektor sowie in der Automobilindustrie und im Handel, der Instandhaltung und Reparatur mit/von Kfz hin. Gleichzeitig steigt die Arbeitskräftenachfrage im Baugewerbe, Maschinenbau und in den verkehrsnahen Dienstleistungen, wo bestehende Engpässe zukünftig weiter ausgebaut werden. In der Konsequenz sind Arbeitsvermittlerinnen und -vermittler dazu angehalten, ihren Kenntnisstand bzgl. der Auswirkungen klimapolitisch bedingter Veränderungen am Arbeitsmarkt kontinuierlich anzupassen, um zielgerichtete Weiterbildungsberatung zu leisten und Branchen-, Regionen-, Unternehmens- oder Berufswechsel adäquat zu fördern. Auf Basis der Erhebungsergebnisse ließen sich konkrete Handlungsempfehlungen für die deutsche Arbeitsvermittlung ableiten. Daraus resultiert der Ansatz eines Lösungsmodells für die alltägliche Vermittlungspraxis, das neben konkreten Aktivitäten auch Netzwerkpartner aufzeigt, die bei der Umsetzung der Empfehlungen in die Praxis unterstützend wirken. Weiterführende Forschung könnte diesen Lösungsansatz ausbauen und den Praxisbezug erhöhen.

"Nachhaltiges Handeln von Auszubildenden unterschiedlicher Persönlichkeitstypen" von Ian Grondey, 2024

Abstract:

Berufsbildung stellt eine zentrale persönlichkeitsformende Institution dar, die vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsdiskussion zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Möglichkeit, Nachhaltigkeit durch berufliches Handeln in den Alltag zu integrieren, bietet eine beachtliche Chance, nachhaltiges Handeln in der Gesellschaft wirksamer zu erzeugen. Doch trotz der zahlreichen positiven Aspekte von Nachhaltigkeit gibt es Personengruppen, die diesem Thema kritisch gegenüberstehen, die in der Nachhaltigkeitsbewegung eine Gefahr sehen und scheinbar nicht nachhaltig Handeln.

Ziel dieser Forschungsarbeit ist es, herauszufinden, welchen Einfluss die Lernorte der dualen Ausbildung und die Persönlichkeitstypen der Auszubildenden auf die Ausprägung nachhaltigen Handelns haben.

Um diese Fragen zu beantworten, wurden Leitfadeninterviews mit sechs Auszubildenden, drei Berufsschullehrern und drei Ausbildern geführt. Zusätzlich wurde eine Dokumentenanalyse der relevanten Ordnungsmittel vorgenommen und mithilfe des BFI-2 wurden die unterschiedlichen Persönlichkeitstypen der befragten Auszubildenden erhoben. Die Interviews und Ordnungsmittel wurden durch qualitative strukturierende Inhaltsanalysen ausgewertet.

Die Analysen ergaben, dass Auszubildende ihr nachhaltiges Handeln durch die duale Ausbildung kaum verändern und die Lernorte nur geringe Veränderungen herbeiführen, die kaum über den Rahmen der Ausbildung hinausreichen. Es zeigte sich jedoch auch, dass sich die Struktur der dualen Ausbildung für die Förderung nachhaltigen Handelns besonders eignet, da individuell auf die Auszubildenden angepasste Methoden je nach Lernort genutzt werden können. Diese individuelle Ausrichtung ist entsprechend den Ergebnissen notwendig, da unterschiedliche Persönlichkeitstypen jeweils andere Methoden benötigen, um zu nachhaltigem Handeln motiviert zu werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere eine individuell auf die Person zugeschnittene Methodik erhebliches Potenzial zur Förderung nachhaltigen Handelns birgt. Daher empfiehlt es sich, diese Herangehensweise durch weiterführende Forschung zu präzisieren.