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Hochschule

Die HdBA informiert

"Die Türkei ist unser Mutterland, hier ist unser Vaterland"

– Am 28. Juli 2012 besuchte der Unternehmer Mustafa Baklan im Rahmen eines Wahlmoduls die HdBA und stellte sich in einem Kamingespräch den zahlreichen Fragen der Studierenden.

Seit Sommer 2011 bietet die HdBA Mannheim den Studierenden ein Wahlmodul zur interkulturellen Kommunikation und migrationsspezifischen Beratung an. Die Modulverantwortung liegt bei Prof. Bettina Franzke, die Durchführung bei der Lehrbeauftragten Judith Cramer.

Das Wahlmodul sensibilisiert die Studierenden für ihre eigene kulturelle Prägung, kulturelle Unterschiede und die Folgen von Fremdheitserfahrungen. Darüber hinaus werden Beratungskompetenzen mit dem Ziel vermittelt, erfolgreich im interkulturellen Raum kommunizieren zu können. Perspektiven anderer Kulturen sollen bewusst wahrgenommen und in das eigene Handeln integriert werden.

Eine Möglichkeit zum direkten Kulturaustausch bot ein Gespräch mit dem Unternehmer Mustafa Baklan. Am 28. Juli 2012 besuchte er die HdBA und beantwortete die zahlreichen Fragen der Studierenden. Dabei gab er interessante und persönliche Einblicke in seinen Werdegang und die tägliche Arbeit im internationalen Umfeld.

Vom Elektroschweißer zum Großhandelsunternehmer

Auf Wunsch seines Vaters und in der Absicht zu studieren kam Mustafa Baklan mit 16 Jahren aus der Türkei nach Deutschland. In Deutschland angekommen, orientierte er sich in eine andere Richtung und entschied sich für eine Ausbildung zum Elektro-Schweißer. Danach arbeitete er sich vom Lagerarbeiter im Großmarkt über eine Verkäufertätigkeit im Einzelhandel zum Mitbegründer und Chef des Großhandelskonzerns Baktat hoch, einem der größten Lebensmittelkonzerne für türkische Spezialitäten und Lebensmittel weltweit. Die internationalen Geschäfte werden von Mannheim aus gelenkt, wo sich der Konzernsitz befindet.

Herr Baklan berichtet, dass er seinen Aufenthalt in Deutschland auf fünf Jahre begrenzen wollte. Mittlerweile ist er seit 1972 hier und deutscher Staatsbürger. Die Türkei bleibe "sein Mutterland", Deutschland sei jedoch im Laufe der Jahre zu seiner zweiten Heimat, "seinem Vaterland" geworden, wie er es selbst nennt. Er zählt sich zu den integrierten Einwanderern der zweiten Generation und bekräftigt, dass er sich in dieser Rolle sehr wohlfühle.

Das Unternehmen Baktat: Türkische Lebensmittel - nicht nur für Türken

Weltweit beschäftigt Herr Baklan rund 2.000 Mitarbeiter. Baktat-Produkte sind in 52 Ländern zu kaufen. Dabei erfreuen sich seine türkischen Produkte nicht nur bei Türken und neuerdings bei Einwanderern aus Südosteuropa großer Beliebtheit; auch Deutsche sind auf den Geschmack von gefüllten Weinblättern, Hülsenfrüchten, Auberginenpaste und schwarzem Tee gekommen. Herr Baklan hat diese Marktlücke für türkische Lebensmittel genutzt. Aus anfänglich 50 Artikeln ist heute ein Sortiment von über 3.000 Lebensmitteln geworden, die abhängig von regionalen Geschmacksvorlieben in ihrer Zusammensetzung variieren können. Beispielsweise ist dem Ketchup in Norddeutschland mehr Essig und in Süddeutschland mehr Zucker zugesetzt.

Was früher "Tante Emma" war, ist heute "Onkel Mehmet". Beliefert werden türkische Obst- und Gemüsehändler, die heute immer seltener kleine Geschäfte, sondern türkische Supermärkte sind. Auch bei türkischen Lebensmittelhändlern ist die Tendenz zur Zentralisierung klar erkennbar.

Mustafa Baklan: "Für Geld muss man arbeiten."

Hinter dem Erfolg von Baktat verbirgt sich harte Arbeit. Herr Baklan selbst sagt: "Man muss Ziele haben. Für Geld muss man arbeiten." Dabei wird deutlich, dass ihm Werte wie Fleiß und Zuverlässigkeit wichtig sind und dass er diese auch von seinen Mitarbeitern erwartet. Der persönliche Arbeitseinsatz und praktische Erfahrungen in der Arbeitswelt nennt er als zentrale Kriterien für die Auswahl seiner Mitarbeiter. Mit der Bundesagentur für Arbeit habe er als Arbeitgeber bislang nur wenig Berührungspunkte gehabt. Dabei wären Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit mit der BA durchaus vorhanden.

Weiterbildung und interkultureller Austausch werden von Herrn Baklan stark gefördert. Er hat ein deutsch-türkisches Institut für Arbeit und Bildung gegründet, unterstützt türkisch-deutsche Austauschprogramme für Schüler und Studierende und ist Partner der Hochschule für Wirtschaft und Management in Mannheim. Baklan vertritt die Ansicht, dass jeder Mensch einen festen Arbeitsplatz braucht und gegebene Chancen nutzen sollte. Er selbst kennt aus seinen ersten Jahren in Deutschland Phasen der Arbeitslosigkeit und hat immer tatkräftig daran gearbeitet, nicht noch einmal in eine solche Situation zu geraten. Er ist ein positives Beispiel dafür, dass eine mangels alternativer Job-Angebote aus der Not heraus eingegangene Selbständigkeit zum Erfolg führen kann. Vielleicht ist er gerade aufgrund dieser Erfahrungen der bodenständige und zugleich erfolgreiche Mann geworden, als den wir ihn während des Gespräches kennen lernen durften.

Spagat zwischen türkischen Traditionen und deutschen Werten

Die Stabilität und den Rückhalt, den eine Person in seiner Position braucht, findet Baklan in seiner Familie, innerhalb der ein großer Zusammenhalt besteht. In der Familie wird sowohl privat als auch geschäftlich zusammengearbeitet. So unterstützen ihn derzeit 35 Familienmitglieder in der Firma. Im Hause Baklan wird Wert auf türkische Traditionen gelegt. Dennoch gab Baklan gegenüber den Studierenden zu, dass er nichts gegen ein deutsches Rumpsteak einzuwenden habe.

Die Studierenden waren neugierig, wie er seinen Aufstieg in Deutschland selbst erlebt hat. Er schilderte uns ein prägendes Arbeitserlebnis: Sein erster Arbeitgeber habe ihn wieder nach Hause geschickt, nachdem er 15 Minuten zu spät zur Arbeit erschienen war. Fortan war er immer pünktlich. Trotzdem habe er "nie den Druck verspürt, sich deutsch verhalten zu müssen". Interkulturelle Sensibilität und Erfahrung kommen ihm zugute, wenn er mit internationalen Geschäftspartnern kooperiert. Seine Stellung als immigrierter Türke befähigt ihn dazu, sowohl türkisch(-arabische) als auch deutsche Sichtweisen zu verstehen. Wenn der Gesprächspartner in Dubai ein Treffen für 12 Uhr ankündigt und er erst um 15 Uhr kommt, weiß er damit umzugehen, auch dann, wenn Baklan ein Treffen um 12 Uhr besser gefunden hätte.

Die HdBA dankt Herrn Baklan für seinen Besuch und das interessante, offene Gespräch mit ihm. Er gab den Studierenden eine Vorstellung, was es bedeutet, als türkischer Unternehmer sowohl in Deutschland als auch international erfolgreich zu sein. Zugleich erhielten sie einen privaten Einblick in den Menschen Mustafa Baklan und in das Familienunternehmen Baktat, in dem türkische und deutsche Arbeitsweisen und Werte gleichermaßen zu erkennen sind.

Mustafa Baklan im Gespräch mit Studierenden und Lehrenden der HdBA